Ursache von Hirndruckschwankungen

Der Körper verfügt über verschiedene sehr gute Kompensationsmechanismen, den ICP in einem engen Bereich relativ konstant zu halten. Dennoch hat beispielsweise die Körperposition des Patienten (liegend/stehend) einen physiologischen Einfluss auf den ICP. Im Liegen ist der Druck (relativ gemessen zum Atmosphärendruck) leicht positiv, im Stehen leicht negativ. Aktivitäten wie Husten, Niesen und REM-Schlaf (REM – engl. Rapid Eye Movement) können ebenfalls zu kurzzeitigen physiologischen Druckschwankungen führen. Das ist alles normal und gesund.

Bei verschiedenen Erkrankungen und Verletzungen wie z.B. unfallbedingten Schädel-Hirn-Traumata, Schlaganfällen, intrakraniellen Blutungen, Entzündungen des Gehirns oder auch Hirntumoren kann es zu einem erhöhten ICP und zu lebensbedrohlichen Situationen kommen.

Auch bei Hydrocephalus, einer Störung der CSF-Dynamik (CSF - Liquor cerebrospinalis), bei der entweder zu viel Hirnflüssigkeit gebildet, der intrakranielle Kreislauf gestört oder nicht ausreichend Flüssigkeit resorbiert wird, werden häufig erhöhte ICP-Werte und nicht selten Schwindel, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen beobachtet. Patienten mit Hydrocephalus werden meistens durch Implantation eines Shunts behandelt, um über eine Ableitung von CSF z.B. in den Bauchraum den Druck im Kopf zu normalisieren.

Zum tieferen Verständnis der für einen erhöhten ICP zugrundeliegenden Mechanismen kann die Monro-Kellie-Hypothese zum Einsatz kommen. Nach dieser Theorie muss die Gesamtmenge der drei Komponenten Gehirngewebe, Blut, und CSF innerhalb des Schädels gleichbleiben, um den Hirndruck konstant zu halten.

Monro-Kellie-Hypothese

Das Gesamtvolumen im Schädelinneren setzt sich zusammen aus den drei Komponenten Gehirngewebe, Blut und CSF. Sie bilden im Idealfall ein Gleichgewicht untereinander und können sich im Falle eines Ungleichgewichts gegenseitig beeinflussen: wächst eine Komponente an, muss eine andere soweit wie möglich aus dem insgesamt starren Schädel verdrängt werden. So kann eine Vergrößerung des Volumens einer Komponente oder das Auftreten eines zusätzlichen Volumens (z.B. eines Hirntumors) zu einem erhöhten Hirndruck führen. Sind die körpereigenen Kompensationsmechanismen ausgereizt, kann der ICP über einen kritischen Wert ansteigen. Die Folgen sind eine reduzierte Hirndurchblutung, die zu Sauerstoffmangel, Absterben von Nervengewebsfasern oder auch zum Tod des Patienten führen können. 

Aktuelle Methoden der ICP-Messung

Die Kenntnis des intrakraniellen Drucks stellt eine wichtige Datenbasis für therapeutische Entscheidungen - z.B. bei der Behandlung von Patienten nach einem Schlaganfall, einer Blutung oder Schädel-Hirn-Traumas - dar. Ziel bei der Therapie ist es, den erhöhten ICP durch eine geeignete intensivmedizinische Therapie zu normalisieren, um Komplikationen und Folgeschäden zu verhindern. Die Überwachung des intrakraniellen Drucks gilt entsprechend als elementarer Bestandteil in der Neurointensivmedizin.

Die häufigste Methode der ICP-Messung basiert auf der Platzierung von kabelförmigen Sonden im Schädel, die den intrakraniellen Druck invasiv bestimmen. Diese werden an ein externes Gerät zur Druckwertermittlung und Messwertanzeige angeschlossen. Durch die Invasivität der Untersuchung können diese Messungen nur bettseitig und unter stationären Bedingungen im Krankenhaus erfolgen.

Je nach Lokalisation der drucksensitiven Komponente in der kabelförmigen Messsonde können die Arten der invasiven Drucksensoren unterschieden werden. Bei piezo-elektronischen und fiberoptischen Kathetern erfolgt die Messung des Drucks direkt an der Spitze der Messsonde, die im Schädel platziert wird. Alternativ kann der Katheter ein Füllmedium wie z.B. Luft oder Flüssigkeit als Druckübertragungsmedium aufweisen, das die Druckänderungen an der Katheterspitze an eine drucksensitive Komponente in einer externen Ausleseeinheit weiterleitet. Beispiel hierfür sind externe Ventrikeldrainagen mit integriertem Drucksensor.

Darüber hinaus können „telemetrische“ Messonden eingesetzt werden, die vollständig implantiert werden und bei denen die Druckwerte kabellos, d.h. komplett über Funk mit Radiowellen, also nicht-invasiv ausgelesen werden.

Bei vollständig nicht-invasiv arbeitenden Sensoren, die von außen am Kopf angebracht werden können, ist hingegen keine Implantation erforderlich. Diese Systeme können beispielsweise über Ultraschall die Druckverhältnisse im intrakraniellen Raum abtasten. Derzeit (d.h. 2020) erlauben diese Technologien jedoch noch keine quantitative Messung des ICP.

Anforderungen an stabile, zuverlässige ICP Sensoren

Um wichtige Schlussfolgerungen für die patientenindividuelle Diagnostik und Therapieoptimierung ziehen zu können, müssen ICP Sensoren idealerweise die folgenden zentralen Eigenschaften und Funktionen aufweisen:

1. Zeitliches Monitoring

In der allgemeinen medizinischen Praxis werden im Rahmen von Untersuchungen häufig vor allem einzelne Messungen durchgeführt. Diese punktuellen Druckmessungen (z.B. über Lumbalpunktion) stellen jedoch nur eine begrenzte Momentaufnahme dar. Hierdurch kann es vorkommen, dass zu hohe bzw. niedrige Werte und kritische Trends erst spät z.B. nach Ausbildung klinischer Symptome erkannt werden können. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die Messwerte durch den sog. „Weißkitteleffekt“ und das Auftreten von Stress in der Untersuchungssituation verfälscht werden können.

Im Bereich der Neurointensivmedizin werden kabelförmige ICP Sensoren für eine Implantationsdauer von ein bis zwei Wochen eingesetzt, die kontinuierlich den Druck bestimmen können. Man spricht hier vom zeitlichen Monitoring. Einen wichtigen Fortschritt stellen insbesondere bei nicht-stationären Patienten telemetrische ICP Sensoren dar, die über den Tagesverlauf auch im häuslichen Umfeld kontinuierlich Messwerte aufzeichnen können. Die hieraus durch den behandelnden Arzt abgeleiteten Kenngrößen und Einflussfaktoren können eine wichtige Basis für die effektive Behandlung von Patienten darstellen.

 

2. Hohe Genauigkeit, Langzeitstabilität und geringe Drift

Bei der Produktion werden die Sensoren einer Kalibration unterzogen. Hierbei werden die vom Sensor gemessenen Werte mit Referenzwerten verglichen. Durch anschließende Kompensation werden produktionsbedingte Abweichungen korrigiert, so dass die einzelnen Sensoren gleiche Druckwerte mit einer guten Genauigkeit ermitteln können. Es ist dabei ebenfalls sinnvoll, eine mögliche Temperaturabhängigkeit des Drucksignals durch die Kalibration zu beseitigen.

Um zuverlässige Langzeitmessungen durchführen zu können, müssen die Drucksensoren über die gesamte Lebensdauer ein stabiles Verhalten aufweisen. Im implantierten Zustand ist die Elektronik der ICP Sensoren einem anspruchsvollen Milieu ausgesetzt, das einen großen Einfluss auf die Langzeitfunktionalität haben kann. Beispielsweise besteht das Risiko, dass Flüssigkeit in den Sensor eindringen kann, so dass Korrosion oder Kurzschlüsse zum Ausfall des Sensors führen könnten. Nicht selten wird eine Drift des Sensorsignals beobachtet, so dass der gemessene nicht mehr dem realen Wert entspricht. Über eine hermetische Verkapselung der Elektronik des Sensors kann der Sensor von den negativen Einflüssen geschützt und hierdurch eine hohe Langzeitstabiltät und -funktionalität erreicht werden (Yu, Kim, Meng1, 2014). Metallische Gehäuse stellen dabei aufgrund der sehr geringen Permeabilität für Gase und Flüssigkeiten eine etablierte Lösung bei implantierbaren Medizinprodukten dar (Jiang , Zhou2, 2009). Eine hohe Langzeitstabilität ist insbesondere für das o.g, Monitoring von essentieller Bedeutung.

 

3. Miniaturisierung

Um eine leichte Implantation und Explantation mit minimaler Traumatisierung des umgebenden Gewebes zu ermöglichen, empfiehlt sich für die eingesetzten Drucksonden eine möglichst kleine Bauform. Dies ist für die kabelförmigen ICP Sensoren relativ leicht umzusetzen, da u.a. die Energieversorgung und Verarbeitung der Messwerte durch die externe Ausleseeinheit übernommen wird.

Im Fall telemetrischer Drucksonden müssen hierfür enorme technologische Herausforderungen überwunden werden. Aufgrund der vollständigen Platzierung des Implantats innerhalb des intrakraniellen Raums bzw. subkutan und der dort vorherrschenden räumlichen Gegebenheiten muss auf die Verwendung von Akkus oder Batterien mit ausreichender Speicherkapazität und somit signifikanten Dimensionen für den Betrieb des Sensors verzichtet werden. Der Energieübertrag auf das Implantat muss bei telemetrischen Drucksensoren von außen kabellos über Induktion erfolgen. Insbesondere bei höheren Abtastraten (s.u.) muss bei der Datenübermittlung technologisch herausfordernd ein kontinuierlicher Datenstrom ohne Kommunikationsabbrüche aufrechterhalten werden, um das Drucksignal in verwertbarer Form aufzuzeichnen.  

 

4. Geringe Infektionsrate

Die o.g. kabelförmigen Drucksensoren werden transkutan (d.h. durch die Haut und auch durch den Schädelknochen) in den intrakraniellen Raum eingebracht. Dadurch besteht – wie bei allen invasiven Eingriffen – die Gefahr von Infektionen, die hier aber bereits nach wenigen Tagen exponentiell ansteigt. Die Bewegung des Patienten kann darüber hinaus zur Dislokation (d.h. Verrutschen) der Messsonde führen. Abhilfe können hier sog. Bolts schaffen, bei denen die Drucksonde über eine Schraube im Schädel fixiert wird und gleichzeitig die Durchtrittstelle gegen das Eindringen von Krankheitserregern verschlossen wird. Zur Reduktion der Infektionsgefahr eignet sich auch der Einsatz antibiotisch-imprägnierter Katheter. Dennoch sind die kabelförmigen Drucksensoren wegen der o.g. Herausforderungen nur für den stationären Einsatz über wenige Tage vorgesehen. Einen alternativen Ansatz stellen auch hier die o.g. telemetrischen Drucksensoren dar, die nach Implantation telemetrisch und somit nicht-invasiv von außen ausgelesen werden können.

 

5. Kompensation des Umgebungsdrucks

Beim ICP ist es wichtig zu verstehen, dass er als Differenzdruck zum Umgebungsdruck (Luftdruck) angegeben und interpretiert wird. Nicht der tatsächliche im Ventrikelsystem wirkende absolute Druck gibt Aufschluss über mögliche kritische Hirndruckphasen eines Patienten, sondern die Differenz zum Umgebungsdruck. Der physiologische Bereich dieses Differenzdruckes liegt im Bereich von etwa -5 bis +15 cmH2O. Bei Patienten mit Hydrocephalus können kleine Änderungen des ICP in der Größenordnung von wenigen cmH2O darüber entscheiden, ob ein Patient symptomfrei ist oder nicht. Bei Wetteränderungen kann im Unterschied dazu der Luftdruck im Bereich von mehr als 50 cmH2O schwanken. Auch die Höhe relativ zum Meeresspiegel hat einen starken Einfluss auf den Umgebungsdruck. Beim Aufstieg im Gebirge kann man als Faustformel sagen, dass je 1000 m Höhe der Luftdruck um etwa 100 cmH2O fällt.

Die Abbildung zeigt einerseits das enge physiologische Fenster für einen normalen ICP und andererseits die Varianz des Umgebungsdrucks in Abhängigkeit vom Ort oder Wetter.

 

 

Um den ICP bestimmen zu können, müssen somit die eingesetzten Druckmesssysteme über eine geeignete Methode verfügen, den vorherrschenden Umgebungsdruck zu kompensieren. Bei kabelförmigen Sensoren kann die Kompensation über das Design konstruktiv erfolgen, so dass über den Hautdurchtritt des Drucksensors eine Messung relativ zum Umgebungsdruck direkt möglich ist. Bei telemetrischen Drucksensoren müssen hingegen zwei Absolutdruckmessungen durchgeführt werden - die Bestimmung des absoluten intrakraniellen Drucks und zusätzlich des außen wirkenden absoluten Umgebungsdrucks. Durch automatische Differenzbildung der beiden gemessenen Drücke wird der diagnostisch wie therapeutisch wichtige ICP ermittelt.

 

6. Abtastrate

In der medizinischen Praxis lag der Fokus in der Vergangenheit auf der Messung von mittleren ICP-Werten, auf deren Basis eine geeignete Therapie abgeleitet wurde, um die intrakraniellen Drücke zu normalisieren. Aktuell rückt die Analyse der Dynamik des ICP Signales immer stärker in den Fokus der ICP-Forschung. Die aus den zeitlich abhängigen Kurvenverläufen ablesbaren Kenngrößen wie z.B. Amplituden können u.a. zur Abschätzung der Compliance und der verbleibenden intrakraniellen Kompensationsmechanismen des Patienten eingesetzt werden. Zurzeit geht man davon aus, dass Amplituden größer als 4 mmHG auf pathologische Änderungen hindeuten können, bei denen therapeutische Maßnahmen erforderlich sind (Schuhmann3, 2008). Fehlerhaft ermittelte Amplituden würden das Patientenmanagement fehlleiten, diese sind somit aus klinischer Sicht nicht akzeptabel (Holm4, 2009).

Um die z.T. komplexe Dynamik der intrakraniellen Druckverläufe aufzeichnen und diese Parameter korrekt bestimmen zu können, müssen die verwendeten Drucksensoren eine angemessen hohe Abtastrate aufweisen. Bei der Abtastrate handelt es sich um ein Maß, wie oft pro Sekunde hintereinander Messwerte aufgenommen werden. Weist die zeitlich abhängige Druckschwankung einen dynamischen Charakter auf, dann muss die Abtastrate angemessen groß sein, um den Kurvenverlauf adäquat abzubilden.

Nyquist-Shannon-Abtasttheorem

Das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem sagt aus, dass die Abtastrate mindestens doppelt so groß sein muss wie die Frequenz des abzutastenden Signals. Der Einfluss der Abtastrate auf die Darstellung komplexer ICP Kurven, die sich aus verschiedenen periodischen Einzelsignalen zusammensetzen, kann wie folgt dargestellt werden. Bei einer Abtastrate von z.B. 100 Hz (d.h. 100 Messungen pro Sekunde) können die gesamten Informationen von Signalen im Bereich von 0 bis 50 Hz ermittelt werden. Einzelsignale mit höheren Frequenzen können entsprechend nicht abgebildet werden. Eine Reduzierung der Abtastrate von 100 auf 25 Hz bewirkt, dass Einzelsignale mit Frequenzen von 12,5 bis 50 Hz hierdurch nicht mehr ermittelt werden können. Durch Reduktion der Abtastrate kann somit die Feinstruktur der ursprünglichen komplexen Signale nicht mehr adäquat dargestellt werden, entsprechend gehen Informationen verloren (Holm5, 2009).

Abtastrate am Beispiel Sound

Die Rolle der Abtastrate kann an dem folgenden praktischen Beispiel leicht beschrieben werden:

Das menschliche Ohr kann Frequenzen bis zu 20 kHz hören. Das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem gibt an, dass das Signal mit doppelter Frequenz abgetastet werden muss. In diesem Fall muss die Abtastrate mindesten 2x 20 kHz = 40 kHz sein, um das Signal adäquat abzubilden. Die in der Industrie verwendete Abtastrate für Audiodateien auf CDs entspricht dementsprechend 44,1 kHz.

Auf der rechten Seite werden zur besseren Anschaulichkeit zwei Soundbeispiele in sehr unterschiedlicher Abtastrate präsentiert. Um so höher die Abtastrate ist, desto höher ist die Qualität des daraus resultierenden Sounds. Bei einer niedrigen Abtastrate hingegen gehen Informationen verloren, was deutlich hörbar ist.

Untersuchungen zur minimal akzeptablen Abtastrate bei intrakraniellen Druckverläufen zeigen, dass bei Messungen unterhalb 25 Hz die Kurvenverläufe nicht realistisch aufgenommen werden können und u.a. die daraus abgelesenen Amplituden nicht korrekt sind.

Bei Abtastraten im Bereich von 50 Hz und höher werden die Kurvenverläufe genau abgebildet (Holm6, 2009).

Abbildung nach Holm et al., Medical Engineering & Physics - Daten aus Tabelle 1

 

Fazit

Die Messung und Überwachung des ICP ist bei verschiedenen Krankheiten und Traumata ein wichtiges Mittel, um über eine effektive Diagnostik die für den individuellen Patienten geeignete Therapie abzuleiten. Trotz der z.T. hohen technologischen Anforderungen an ICP Sensoren stehen dem behandelnden Arzt verschiedene Systeme zur Bestimmung des intrakraniellen Drucks zur Verfügung.

Je nach Anwendungsfall können die Anforderungen variieren. Nach dem heutigen Stand der Technik und für den anspruchsvollsten Anwendungsfall der nicht-invasiven Langzeitmessung kann man sagen, dass folgende Anforderungen für die Qualität einer hochwertigen ICP Messung insbesondere von Bedeutung sind: eine hohe Abtastrate von mehr als 25 Hz, eine telemetrische – also nicht-invasive – Messung für ein geringes Infektionsrisiko, eine automatische Kompensation des Atmosphärendrucks, eine kleine Bauform bei hoher Datenübertragungsqualität und letztlich eine hermetische Verkapselung der Elektronik in einem Metallgehäuse für eine hohe Lebensdauer und für eine geringe Drift.

Spannend - über die technischen Anforderungen hinaus - ist ein Blick auf die Kurven bei ICP-Messungen.
Was steckt hinter den Kurven? Wie liest man sie? Was sagen sie uns?